Weiße Autor:innen, Schwarze Figuren

Was sollte ich als weiße Person beachten, wenn BIPoCs natürlicher Teil meines Figurenensembles sind?

Im Jahr 2020 gab es kaum Bücher mit Schwarzen Kindern oder Kindern of Color, und ich hätte diese Frage sicherlich euphorisch beantwortet, weil die Sichtbarkeit von Schwarzen Kindern in der Kinderliteratur mir ganz wichtig ist. Heute begegne ich dieser Frage jedoch mit Vorsicht.

Für meinen Blog Afrokids Germany, den ich vor drei Jahren gegründet habe, bin ich immer auf der Suche nach Büchern mit BIPoCs als Hauptfiguren. Wenn man die Webseiten der großen Publikumsverlage durchschaut, könnte man auch auf den ersten Blick denken, dass wir in den letzten Jahren in dieser Hinsicht weit gekommen sind und viel erreicht haben. Wenn man allerdings genau hinschaut, dann frage ich mich, wer was erreicht hat.

Obwohl die Programme der Verlage vorgeben, sich um Vielfalt zu drehen, werden diejenigen, die in dieser Realität leben, selten einbezogen. Menschen, die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft angehören, sind unter den Buchschaffenden kaum bis gar nicht vertreten, stattdessen verbergen sich hinter den „vielfältigen Geschichten“ in der Regel weiße Autor*innen und Illustrator*innen. Auf kritische Nachfragen antworten die Verlage, dass Hautfarbe und Geschlecht bei der Auswahl der Autor*innen und Illustrator*innen keine Rolle spielten, sondern allein die Qualität zähle. Doch so ganz kann ich das nicht glauben, denn mir scheint es eher so, dass die Buch Welt in Deutschland gegen BIPoCs und anderweitig marginalisierte Gruppen von Autor*innen und Illustrator*innen voreingenommen ist. BIPoCs werden häufig als Sensitivity Reader*innen oder im besten Fall als Co-Autor*innen engagiert.  Ich habe den Eindruck, man möchte unsere Geschichten erzählen, traut uns aber gleichzeitig nicht zu, sie selbst schreiben zu können … oder doch? Wenn es sich um Themen wie Flucht, Rassismus oder Migration handelt.

Nach der Black-Lives-Matter-Bewegung scheint der Trend zur Diversität abgeflaut zu sein. Weiße Menschen haben vielleicht ein Buch über Rassismus gelesen und das Thema für sich abgehakt. Doch für Schwarze Menschen geht der Kampf weiter. Denn Chancen und echte Teilhabe bleiben uns verwehrt.

Meine aktivistische Arbeit für mehr Diversität in Kinderbüchern war und ist nicht nur ein Appell an die Gesellschaft, sondern auch an den Literaturmarkt. Es geht darum, nicht nur Menschen mit verschiedenen Hauttönen und ein Kind im Rollstuhl in Kinderbücher zu integrieren, sondern auch die Bedeutung von Own-Voice-Geschichten zu erkennen. Own Voice bedeutet „eigene Stimme” und wird oft im Zusammenhang mit Literatur und Darstellung verwendet. Er knüpft sich auf die persönlichen Erfahrungen oder Erlebnisse eines Autors oder einer Autorin an. “Own-voice” bietet Menschen aus marginalisierten Gruppen die Möglichkeit, ihre eigenen Geschichten zu erzählen und die Kontrolle über ihre eigene Darstellung zu haben. Die Frage sollte also nicht lauten: „Welche Tipps können Schwarze Menschen geben, damit weiße Menschen bessere BIPoC-Charaktere kreieren?“, sondern „Was kann die weiße Buchbranche tun, um Own Voices aktiv zu fördern?“

Hannover, 31.05.2022